AUSSTELLUNGEN I EXHIBITIONS

AKTUELLE AUSSTELLUNG I CURRENT EXHIBITION

THE HOLY CITY

 

DONG-YEON KIM

DENNIS KAUZNER

HELENA MÜNCH

 

 

ERÖFFNUNG AM 12. APRIL VON 18.00 bis 21.00 UHR

 

AUSSTELLUNG: 13. APRIL - 29. JUNI 2024

 

 

Im Rahmen der Gruppenausstellung The holy city zeigt die Krings-Ernst Galerie Arbeiten von Dennis Kauzner, Dong-Yeon Kim und Helena Münch. Titelgebend ist der Werkkomplex des koreanischen Künstlers Dong-Yeon Kim. Der Künstler befasst sich mit den elementaren Bestandteilen des Städtebaus – mit Haus und Straße. Für ihn sind dies die Urformen der Zivilisation. Die Boxen von Dennis Kauzner aus der Serie Baukastenindividualismus treten In Dialog mit Kim’s Objekten und Installationen.  Auch hier steht die Architektur im Mittelpunkt, allerdings geht es nun um die Bequemlichkeiten des Konformismus, der sich nicht zuletzt in der architektonischen Gestaltung unserer Behausungen manifestiert. Die Malerei von Helena Münch stellt eine farbliche Verbindung zwischen dem Zufälligen und dem Kontrollierten dar. Ihre Kompositionen wirken wie ein Resonanzraum für die kon- und destruktiven Reflexionen ihrer Künstlerkollegen. 

 

ZURÜCK ZUM BETON ?

 

Anna Andreeva, Daniele Franzella, Jan Glisman, Dennis Kauzner, Milena Milosavljević, Jiyun Park, Jürgen Stollhans, Dmitry Zakharov

 

 

ERÖFFNUNG AM 17. NOVEMBER VON 18.00 bis 21.00 UHR

 

VERLÄNGERT BIS ZUM 01. MÄRZ 2024

 

AUSSTELLUNGSRUNDGANG

 

 

Im Fokus der Gruppenausstellung „Zurück zum Beton?“ steht, wie der Titel verspricht,  das Material Beton. Der Baustoff, den man in der Regel mit der Architektur und weniger mit der bildenden Kunst assoziiert, bildet einen Ausgangspunkt für analoge und digitale künstlerische Auseinandersetzungen, die sich seinen physikalischen und ästhetischen, historischen und gesellschaftlichen, ökologischen und symbolischen Eigenschaften widmen.

 

Man könnte meinen das Material Beton sei nicht besonders spektakulär – rau, grau, irgendwie abweisend. Der Baustoff mag sich in der Architektur als durchaus praktisch erwiesen haben - denn beinahe jedes architektonische Element lässt sich in Beton gießen- aber was kann er in der bildenden Kunst? Die Antwort fällt überraschend aus: Auch im Bereich der klassischen Kunstgattungen ist Beton ein vielleicht nicht Alles- aber doch Ziemlich-Vieles-Könner. Er erscheint als Ideengeber in den Objekten und Kreidearbeiten von Jürgen Stollhans, als Reminiszenz an kalifornische Art & Architecture Bewegung in Gemälden von Dennis Kauzner, als gewichtiger/unübersehbarer Gegenpart zu unserer virtuellen Kommunikation in Plastiken von Milena Milosavljević. Daniele Franzella nutzt die Eigenschaften von Beton – eben dieses Rau und Grau – um seinen Reliefs die historische Dimension zu entziehen und sie ins Zeitlose zu versetzen. Und die digitale Soundinstallation „Geist“ von Jan Glisman, Dmitry Zakharov und Jiyun Park beschäftigt sich mit dem Dasein von Beton nachdem er seine architektonischen Dienste geleistet hat. In ihrer Arbeit geht es um die Demontage von den Funktürmen der Deutschen Welle.

 

Eine unkonventionelle Herangehensweise an das vermeintlich altbekannte Thema Beton ist das angestrebte Anliegen der Gruppenausstellung in der Krings-Ernst Galerie.

 

Im Rahmen der Ausstellung wird ein Studiolo eingerichtet. Es ist ein Laboratorium auf kleinstem Raum, in dem man sich intensiv mit den kleinformatigen und digitalen Werken der ausgestellten Künstler befassen kann.  Eine besondere Position im Studiolo nimmt die Arbeit der russischen Textildesignerin Anna Andreeva (1917-2008). Formell sind ihre Skizzen ein seltenes Beispiel für Op-Art mit Wurzeln in der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts, inhaltlich beschäftigt sich die Künstlerin mit der technologischen Innovation und „dem materiellen Gefüge“.  Andreevas Interesse für die Beziehung zwischen Stofflichkeit und Ästhetik bildet einen thematischen Bogen zu dem zeitgenössischen Kontext der Gruppenausstellung.

 

Zurück zum Beton, 2010

 

 

Mit grauen Kunststoffbausteinen bildet Stollhans ein Fragment des Kölner Colonia-Hauses nach und schreibt darauf (in weißen Lego-Lettern) Zurück zum Beton. Das irritiert! Denn meistens assoziiert man den Beton in der Architektur mit der Zeit des Brutalismus, der als Begriff gar nicht von dem deutschen Wort brutal abstammt. Es ist ein Sammelbegriff und kommt u.a. von dem béton brut, dem pur belassenen Beton. Dennoch wird das Baumaterial in der Regel (selbstverständlich gibt es Ausnahmen) mit etwas Schwerem, Grauem, Seriellem, Trostlosem verbunden. Auch metaphorisch steht es für die Schwerfälligkeit und mangelnde Einsicht (Betonkopf!) und nicht für Verspieltheit und Kreativität, wozu Lego als Spielzeugklassiker anregen soll.

Das Colonia-Haus wurde 1973 errichtet und war bis 1976 das höchste Wohnhaus Europas. Ursprünglich mit vielen Extras ausgestattet, befindet sich das Gebäude heute in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Die Fassade ist marode und das Heizungssystem veraltet. Seit 2011 geplant, konnte eine Sanierung bislang nicht in der Eigentümerversammlung beschlossen werden.

Wie Colonia-Haus stammt auch das Lied der deutschen Punkband S.Y.P.H. Zurück zum Beton aus den späten 70er Jahren. Mit folgenden Zeilen:

Ekel Ekel Natur Natur

Ich will Beton pur

und

Zurück zum Beton

Da ist der Mensch noch Mensch

Da gibt’s noch Liebe und Glück

Also irgendwie doch die Großstadt-Romantik! Was würde dazu wohl die Fridays-for-Future-Generation sagen, da Beton nun mal umwelttechnisch höchst problematisch ist?!

Jürgen Stollhans bringt in seinem Objekt den Punkkracher, den kritischen Baustoff, die Kölner Baukunst und die Plastikbausteine zusammen. Damit kann man doch ganz schön viel anfangen!

 

    Julia Teplitzlky

 

DORIS FROHNAPFEL I JÜRGEN STOLLHANS

ANTONIUS HÖCKELMANN I DMITRI PRIGOV

 

ERÖFFNUNG AM 12. NOVEMBER VON 14.00 bis 18.00 UHR

 

Vom 12.11.2022 bis zum 04.03.2023 zeigt die Krings-Ernst Galerie Arbeiten von Doris Frohnapfel, Jürgen Stollhans, Antonius Höckelmann und Dmitri Prigov. 

 

Die Zusammenstellung bezieht sich auf die aktuelle Gesamtsituation und Weltlage. Die Künstler setzen sich mit diversen Aspekten des technologischen, geopolitischen und kulturellen Wandels auseinander. Dabei unterscheiden sich die Ausgangspunkte: Bei Doris Frohnapfel ist es die globale Kommunikationsinfrastruktur, bei Jürgen Stollhans die Identitätssuche, bei Antonius Höckelmann geht es um das nomadische Verständnis von Freiheit und bei Dmitri Prigov um anthropologische Zusammenhänge  und um die Existenz innerhalb eines ideologiegeprägten Systems. Die Kunstwerke stammen aus verschiedenen kunsthistorischen Kontexten und es entsteht dennoch eine stimmige Erzählung – eine Erzählung von Macht und In-/Transparenz der Informationsflüsse, von Abhängigkeiten und Autarkie der globalisierten Kommunikation, von dem großen Kampf um Medium und Botschaft.

 

Im Rahmen der Ausstellung wird die Videoaufzeichnung der Performance „Dmitri Prigov. RE-ENSOUNDMENT“ von Markus & Rochus Aust und Jürgen Stollhans präsentiert. 

 

 

From  November 12th 2022 to January 28th 2023, Krings-Ernst Gallery will be showing works by  Doris Frohnapfel, Jürgen Stollhans, Antonius Höckelmann and Dmitri Prigov. The selected works refer to the current world situation. The artists deal with various aspects of technological, geopolitical and cultural changes. The starting points differ: for Doris Frohnapfel it is the global communication infrastructure, for Jürgen Stollhans - search for identity, for Antonius Höckelmann it is the nomadic understanding of freedom and for Dmitri Prigov - anthropological contexts and existence within an ideology-driven system. The artworks come from different art historical contexts and yet a coherent narrative emerges - a narrative of power and in/transparency of information flows, of dependencies and autarky of globalised communication, of the great struggle for the medium and the message.

 

During the exhibition, the video of the performance "Dmitri Prigov. RE-ENSOUNDMENT" by Markus & Rochus Aust and Jürgen Stollhans will also be presented.

 

 

Doris Frohnapfel

Rückweg und Pause, 2021

 

Beim Betreten des Raumes fällt der Blick auf die Wand mit einem bodenlangen weißen Gardinenstoff, der auf ganzer Breite durch aufgenähte Schnüre strukturiert ist und auf dem ein kleiner Monitor ein Video abspielt. Diese Arbeit, Rückweg und Pause, entstand während der Pandemie unter dem Arbeitstitel Endloser Faden in Heim-/Handarbeit. Das Video zeigt ein Spleetscreen-Format aus Fullscreen und mit zwei rechts und links montierten kleinen Screens. Darin wird in Parallelmontage die Zerlegung von sechs verschiedenen Elektronikschnüren – Hilfsmittel der medialen Arbeit und globalen Kommunikation – gezeigt. Die Metall- und Plastikfäden des Kabelkerns werden manuell aus ihrer Ummantelung gelöst. Dies ist überraschenderweise spannend – wer kennt schon das Innenleben von Antennen-, Firewire- oder Glasfaserkabeln? – und irritiert zugleich als Sisyphosarbeit. So bezeichnet der Titel Rückweg und Pause die Situation, wenn Sisyphos den Berg wieder hinuntergehen muss – für Albert Camus die Stunde des Aufatmens und des Bewusstseins inmitten einer endlosen Qual. Dieser Grenzbereich zwischen Knechtschaft und Befreiung fungiert narrative Folie.

Die demontierten Kabel dienen als Material, mit dem ich auf dem Vorhangstoff die Weltkarte der Unterseekabel veranschauliche. Die Kabel wurden per Hand aufgenäht und entlang der Routen fixiert. Die Karte zeigt Dinge, die objektiv bekannt sind und hier subjektiv formuliert werden. Das Video läuft auf einem alten Monitor, den ich auf ein noch älteres Schreiner-Werkstück montiert habe, das ehemals als Klappe des Radio- und Plattenspielerfaches im Wohnzimmerschrank meiner Eltern diente. Die Arbeit verweist auf den Kontrast zwischen einer vermeintlich unsichtbaren Super-IKT- Infrastruktur aus Metaplattformen, Rechenzentren und Unterseekabeln (es gibt derzeit ca. 426 Unterseekabel mit einer Gesamtlänge von ca. 1,3 Millionen Kilometern) und der Zero-Waste-Philosophie kapitalistischer Gesellschaften. Die Arbeit besteht u 100% aus recycelten Materialien und kann daher als klimaneutral gelten. Die Lieferkette des Gardinenstoffs – der Rest eines Vorhangs, den ich für meine Arbeit Human Capital Market 2010 in einer römischen Gardinenmanufaktur kaufte – und die Arbeitsbedingungen, unter denen der Stoff in Italien oder China produziert wurde, sind nicht bekannt, ebenso wenig wie die Lieferketten der obsoleten Kabel. Einige der älteren sind noch Made in Germany, die neueren Made in China oder ohne Angabe. Das Recycling solcher Materialien wird von uns entweder in Niedriglohnländer ohne Umweltstandards verlegt, oder sie werden staatlich subventioniert in aufwendigen Verfahren nur teilweise für die Rohstoffkreisläufe gesichert. Im Workflow der Demontage, die die Material- und Strukturvielfalt der Kabel und Schnüre freilegte, entdeckte ich, dass eine zusätzliche Verwertung den Aspekt der Immaterialität erfassen konnte, den die Ausstellung thematisiert. Dazu habe ich mit einer Lichtquelle einen Schatten der von mir zerlegten Gegenstände auf lichtempfindlichen (Foto-)Papier erzeugt. Für Moholy-Nagy ist das Fotogramm aus dem analogen Fotolabor ein Blick ins Universum – hier das Universum der Unterseekabel und der digitalen Vernetzung. Auf die Beschleunigung digitaler Datenströme antwortet das Unikat des Fotogramms mit Entschleunigung und Einmaligkeit.

                                                                                                                                                                     Doris Frohnapfel

 

 

Jürgen Stollhans

 

Orientierungsphase, 2007  gehört zu der Bildserie W_20 37 405: Caput mortuum von Jürgen Stollhans, die im Rahmen der documenta 12 2007 in Kassel ausgestellt wurde. Die Serie ist das Ergebnis eines mehrmonatigen Aufenthaltes des Künstlers in der Stadt Kassel bzw. seiner Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte.

Sowohl das Bild als auch das Wort sind einfach zu lesen, allerdings ist das Zusammenspiel alles andere als eindeutig.

Dargestellt ist ein Wald. Wie passen Wald und Kassel zusammen? Die Stadt war fast 30 Jahre lang Wohnsitz von Jacob und Wilhelm Grimm, den Sammlern von Volksmärchen. Bei vielen Märchen spielt sich die Geschichte in einem Wald ab. Also vielleicht ein Märchenwald. Die Gebrüder Grimm gelten außerdem als Begründer der Germanistik und waren die ersten Herausgeber des Deutschen Wörterbuchs (1838-1961). Die zwei lebten und arbeiteten zur Hochzeit der deutschen Romantik, der Zeit, in der aus einer Ansammlung von Großpflanzen deutsche Kulturlandschaft wurde. Deutscher Wald ist das Sinnbild des Germanischen für mehrere Generationen von Dichtern und Denkern. Vielleicht hat das etwas mit der nationalen Identität zu tun. Oder mit der Problematik der Identität generell.

Der Terminus Orientierungsphase gehört in den Bereich der Psychologie oder in den Militärgebrauch, was wiederum ziemlich gut zu Kassel passen würde. Die Stadt war jahrelang Hauptsitz mehrerer deutscher Rüstungskonzerne. Was hat der deutsche Militarismus mit der nationalen Identität zu tun? Befindet sich die nationale Identität gerade in einer Orientierungsphase, sprich an dem Punkt, an dem man nicht genau weiß, wie es weiter geht? Hochaktuell wäre der Begriff gerade jetzt, im Jahr 2022, in Bezug auf die Zukunft der documenta selbst. Aber wir wollen mal nicht so sein, die Arbeit stammt ja aus dem Jahr 2007.

Und da wäre noch das Medium – die Kreide. Das klassische Attribut des staatlichen Schulsystems. Die Schule und der Staat - wen und wozu verpflichtet die von der Staatsgewalt definierte Schulpflicht? Geht es um die Wissensvermittlung, die Erziehung oder das Heranziehen von gesetzestreuer/mündiger Bürger? Und da wären wir wieder bei der nationalen Identität…

Was sollte man noch bedenken? Ach ja, 2007 zog der Sturmtief Kyrill über Deutschland und wirbelte einiges durcheinander.

Es sind viele Brotkrumen, die der Künstler in seinem Wald streut. Man ist nicht unbedingt weniger lost, wenn man ihnen folgt, aber die Suche nach dem Weg heraus gestaltet sich deutlich gehaltvoller.

 

Marmorkuchen, 2022

 

Apropos Brotkrumen! Der Marmorkuchen. Der Inbegriff des kulinarischen Kompromisses für die einen, das Musterbeispiel einer friedlichen Koexistenz für die anderen. Im Schaffen von Jürgen Stollhans nimmt der Marmorkuchen einen besonderen Platz ein: Es gibt ihn als Video und es gibt ihn als ein Holzobjekt.

Die Form kommt einem sofort vertraut vor. Aber um zu erkennen, dass es sich um einen Marmorkuchen handelt, muss der Wahrnehmungsapparat sich ziemlich reinhängen.  Zunächst einmal ist der Kuchen entgugelhupft, sprich hat nicht die klassische Kranzform und besteht aus einzelnen Querschnitten, die in einer Reihe aufgestellt sind. Zum anderen wurden die Schokoladenanteile entfernt und nur die helle Masse stehen gelassen, die so für sich alleine ganz entfremdet wirkt. In dem Versuch, das Ganze einzuordnen, ist man aufgefordert, sich an den möglichen Interpretationen abzuarbeiten. Da wäre: Hell ohne Dunkel, Weiß ohne Schwarz – ganz viele Deutungsoptionen bis in die höchste philosophische Ebene hinein. Oder: die Konturen von Kuchenstücken sehen irgendwie verpixelt aus, ist das womöglich ein kryptographischer Kode? Wie wäre es mit Physik: Man könnte sich in die Flüssigkeitsdynamik vertiefen und sich mit solchen dankbaren Begriffen wie Massenstrom und turbulente Strömungen auseinandersetzen? Ist man doch bei dem Thema Gebäck angekommen, öffnet sich die nächste Pforte: ein Marmorkuchen ohne Kakao – sind wir hier bei der postkolonialen Thematik?  Insiderwissen: Der Prototyp unseres Kuchens stammt aus dem Berliner Reichelt-Supermarkt. Was sagt uns seine industrielle Herkunft? Und ist das süße weiche Backwerk nicht eigentlich eine Metapher für alles Spießige oder steht er für das Altbewährte und Bodenständige? Außerdem - ein Marmorkuchen aus Holz?!

Was das Kunstwerk und sein Urheber erreichen, ist ein Kurzschluss in gewohnten Denkalgorithmen, Chaos in den geliebten Schubladen. Ein Konversationsgegenstand: Es ist Kaffekränzchen-Zeit so let’s talk about the cake!

Antonius Höckelmann

 

Antonius Höckelmann zählt zu den wichtigsten deutschen Künstlern der Gegenwart. Er kam aus Westphalen, absolvierte seine künstlerische Ausbildung in Berlin und lebte seit 1970 in der traditionsreichen Kunststadt Köln. Seine künstlerische Herkunft ist Informel, dem er im Lauf der Zeit ganz eigene Positionen abgewinnt. Er entwickelt sich weiter zu einer singulär wirkenden Künstlerpersönlichkeit der figurativen Malerei von hohem Rang. Später steht er der sogenannten Heftigen Malerei nahe. In seinen expressiven Gemälden sind nichtgegenständliche, wuchernde Formen vereint mit gegenständlichen Motiven. Gemälde und Zeichnungen sind von einem alles durchdringenden Bewegungsrhythmus beherrscht, der eine frappierende Dynamik vermittelt. Sein gesamtes Oeuvre ist von einem großen dynamischen Schwung. Animalisches und Triebhaftes finden dort ihre Form.

 

Skythenbaum ist eine Plastik von Antonius Höckelmann aus dem Jahr 1995. Es ist ein farbig gefasster Körper aus Styropor, dem Elemente aus Aluminiumfolie, Gaze und Holz hinzugefügt sind.

 

Die Form: Es war mal ein Block mit geraden Ecken und ebenen Flächen.

Der Künstler Antonius Höckelmann bearbeitete den Hochkantquader, indem er die Kanten abschliff und Falten und Höhlen in die glatten Seiten hineinschnitzte. Höckelmann legte Volumina frei, die sich an der Grenze zwischen dem Organischen und Anorganischen bewegen. In Kombination mit vertikaler Ausrichtung erinnert das an einen prähistorischen Menhir oder an einen Totempfahl.

 

Der Stoff: Styropor, Aluminiumfolie, Textil

vertikaler Ausrichtung erinnert das an einen prähistorischen Menhir oder an einen Totempfahl.

Der Stoff: Styropor, Aluminiumfolie, Textil

Das Styropor entdeckt Höckelmann für sich um 1970. Es ist ein Material, was sich leicht und schnell verarbeiten lässt.  So schreibt Per Kirkeby: „Ich glaube, es war das schwere, traditionelle Material der Skulptur, das sie daran gehindert hat, Tritt zu halten, in einer Zeit, wo die Dinge sich schneller bewegen. H. [Höckelmann] ist einer der wenigen Bildhauer, die sich dieser Geschichte entgegengestellt haben… Er formt einzigartigen Größen, und er hat ein schnelles Material gewählt. Heute, wo alle mit beiden Beinen in Bronze gegossen dastehen, ist es wichtig, Begeisterung für H.‘s [Höckelmanns] Styropor zu zeigen.“  Ein Außenseiter unter den Baustoffen, das nichts zu Statik beiträgt, sondern bloß für Dämmung und Verpackung benutzt wird, ist Styropor leicht und billig. Es hat etwas Theatralisches, Karnevalistisches an sich - ist einfach zu bemalen, zu schnitzen, mit anderen Stoffen zu kombinieren.  Ähnlich verhält es sich mit der Aluminiumfolie. Einfache Handhabung und niedriger Preis erlauben das Experimentieren mit der Form und den vielfältigen Einsatz. Von Abstrakt bis Organisch - alles lässt sich aus der Folie formen. Ihr metallischer Glanz persifliert den Schimmer der in der Kunstgeschichte üblichen Edelmetalle. Höckelmann dreht aus Alufolie seilenartige Stränge, die er auf dem Styroporkörper des Skythenbaums befestigt. Der Ursprung dieser Stränge und ihr Ende lassen sich nicht wirklich ermitteln, sie scheinen, dem Styropor zu entwachsen, um wieder in ihm zu verschwinden. Um ihrem buchstäblich verwickelten Verlauf zu erschließen, muss man sich in Bewegung setzen und um den Skythenbaum herumwandern. Die Dynamik des Objekts wird außerdem durch den Einsatz von textilen Resten gesteigert, die das höckelmannsche trio marginale der Werkstoffe vervollständigen. Auch die schwungvollen Falten, die Höckelmann um die Plastik legt, bringen einen dazu, sich physisch mit der Plastik auseinanderzusetzen. Die vom Bildhauer ausgewählten Stoffe lassen dem Betrachter keine Ruhe, er wird gezwungen, sich auf immer neue Ein- und Durchblicke einlassen.

 

Das Objekt: das Holzkästchen

Im unteren Teil des Skythenbaums findet man eine kleine Holzkiste. Ein objet trouvé, dient sie als Maluntergrund für eine Kohlezeichnung, die ein schreitendes Pferd mit einem Reiter zeigt. Die einerseits lakonische und andererseits emotionale Art der Darstellung, die durch impulsive Linienführung bestimmt ist, lässt einen sowohl an die prähistorische Höhlenmalerei als auch an die fernöstliche Kalligraphie denken. Holz als Malunterlage korrespondiert optimal mit dem Thema Skythenbaum, allerding steht die rechteckige Form der Kiste im krassen Gegensatz zu dem organischen Rest.

 

Die Farbe: die vorgetäuschte Monumentalität

Wenn man nicht weiß, dass die Plastik von Antonius Höckelmann hauptsächlich aus Styropor besteht, kommt sie einem ziemlich schwer vor. Diesen ersten Eindruck verdankt sie in erster Linie der gedämpften Farbgebung. Der Künstler wählt für den Skythenbaum die dunklen erdigen Farben. Das Schwarze im unteren Teil des Objekts findet sich wieder in den Kohlenlinien der Zeichnung. Man erkennt das rötliche Braun, diverse Schattierungen von Grün, das Blau. Man könnte die Farben leicht mit einer kargen Steppenlandschaft in Verbindung bringen, wenn da nicht die Art des Farbauftrags wäre. Die Farben werden nicht einheitlich aufgetragen: Mal sind die Übergänge zwischen den Farbtönen sehr sanft, mal sind es Farbspritzer und -flüsse, gar weiße Leerstellen, die schwer einzuordnen sind. Wie schon bei der Form  balanciert der Künstler auch hier zwischen der Gegenständlichkeit und der Abstraktion. Er suggeriert Schwere und lässt gleichzeitig Stellen offen, die diesen seinen Trick bloßstellen. Damit unterminiert Antonius Höckelmann die Idee von Autorität und Monumentalität der klassischen Bildhauerei. 

 

Die Geschichte: Die ersten Reitervölker

An Pferden im Werk von Antonius Höckelmann kommt man nicht vorbei. Er hat ihre Bewegungen studiert, hat sie oft gezeichnet. Laut seiner Ehefrau Künstlerin Hille Eilers, war es nur logisch, dass er eines Tages auf das Thema Skythen kam, denn die Nomaden zählen nun mal historisch zu den ersten Reitervölkern. Was unterscheidet denn die Skythen-Bilder und  -Plastiken von anderen Pferdedarstellungen des Künstlers? Rein formal sind es die abgerundeten miteinander verflochtenen Elemente, die an den sogenannten skythischen „Tierstil“ erinnern. Hille Eilers nennt es „eine Verwandtschaft des Formgefühls“. Ikonographisch tauchen bei dem Skythen-Zyklus neben den von früher bekannten Archetypen (Pferd mit Rennwagen) solche Motive wie abgetrennte Pferdeköpfe, Opferblöcke, Flammenzungen. Der Hintergrund ist seltener abstrakt, man sieht oft eine Steppenlandschaft mit einzelnen Hügeln, wenn man den Kontext bedenkt, wahrscheinlich mit skythischen Grabhügeln - Kurganen. Der Akzent wird hier auf das Urig-Mystische gesetzt: das Tier und der Mensch sind aufeinander angewiesen. Als eine Einheit erlangen sie Bewegungsfreiheit und erschließen neue Territorien. Und das hat bei Antonius Höckelmann nicht nur einen physischen, sondern auch einen metaphysischen Charakter.

 

Es geht ihm um die künstlerische Freiheit und die Erschließung neuer künstlerischer Räume. Auch der Titel der Plastik Skythenbaum zeugt von der Beschäftigung des Künstlers mit den fundamentalen Fragen. Der Baum ist in vielen indogermanischen Mythologien ein Urbild für die kosmische Ordnung. Die Wurzel, der Stamm und die Krone stehen für drei Ebenen - die Unterwelt, die Erde und den Himmel – und mit diesen drei Sphären setzt sich der Künstler auseinander.

 

Der Kontext: die Skythen und Einstein

Nun was haben die Höckelmannschen Skythen mit der Geopolitik und dem technologischen Wandel zu tun?  Die Skythen waren die ersten Menschen, die das Fluchttier Pferd dazu brachten, sich auf seinem Rücken zu dulden. Damit verschafften sie sich einen strategischen Vorteil. Sie waren schneller und mobiler als ihre Gegner, genau das, was man heute mit Hilfe der neuen Technologien zu erreichen sucht. Dank diesem strategischen Vorteil waren die Skythen in der Antike begehrte Söldner, andererseits galten sie unter „zivilisierten“ Völkern der damaligen Zeit als fremd, wild und wurden gefürchtet. Was damals das rasende Pferd und der mysteriöse Reiter waren, sind heute die intransparenten Datenströme. Man braucht sie, um sich einen technologischen Vorsprung zu verschaffen, dabei nimmt man ihr Zerstörungspotenzial in Kauf, das im Gegensatz zu dem der Skythen deutlich weitreichender ist. Die globale Vernetzung birgt die Gefahr der globalen Vernichtung in sich. Ende der 40er Jahre, kurz nach dem 2. Weltkrieg, sagte Albert Einstein in einem Interview: „Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird, aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.“ Was der theoretische Physiker und Entdecker der Relativitätstheorie damit meinte ist: Die Menschheit hat sich im Laufe der Jahrhunderte viel Wissen angeeignet, allerdings befindet sie sich an einem kritischen Punkt, an dem sie mehr denn je darauf achten sollte, wie sie dieses Wissen einsetzt, sonst würde sie ziemlich von vorne anfangen müssen. Im Zeitalter der Skythen vielleicht…

Womöglich tut man den Skythen von Antonius Höckelmann unrecht, wenn man einen Bezug zwischen ihnen und der heutigen geopolitischen Problematik herstellt, wenn man ein Steppenvolk mit einem besonderen Naturverständnis und die heutige Kommunikationsstrategie zusammenbringt.  Aber der Künstler meinte selbst einmal in einem Gespräch: „Eigentlich macht sich jeder letzten Endes seine Skythen selber.“  

 

Julia Telitzky

Dmitri A. Prigov

 

Für jeden Künstler ist der Umfang der gleichzeitig ausgestellten oder dem Publikum schon länger bekannten Arbeiten äußerst wichtig, das heißt für das Verständnis jeder einzelnen Arbeit ist der Kontext des Gesamtwerkes wichtig, seine Evolution und sein künstlerisches Umfeld.

Für das Verständnis des Werkes von Prigov ist dies umso aktueller, da er sich im Grunde ganz bewusst auf den kulturellen und sozialen Kontext bezieht, mit dem Image des Künstlers und des Dichters arbeitet, mit den konstruierten Formen von Verhalten beim Publikum, beim Künstler und beim Schriftsteller innerhalb der Kultursphäre. Zudem arbeitet er in so vielen unterschiedlichen Genres und Stilen, dass nur durch ihre Gesamtkenntnis, indem wir sie zusammenführen, oder wenigstens mit der Analyse von einem auf alle übrigen aufmerksam werden, wir jene Meta-Ebene herausgliedern können, auf der sie zusammengehören, genauer, auf der der Künstler und Dichter als ganzer, als einheitliches Bild eines auktorialen Schöpfers sichtbar wird. Anders gesagt, wenn wir Prigov von einzelnen Auftritten her kennen und diese jeweils, nach dem üblichen Modell, für die einzige Erscheinungsform des Künstlers oder Schriftstellers halten, so könnten wir ihn fälschlicherweise mit einem Dichter des Sozialen identifizieren oder einem Satiriker oder einem Autor avantgardistischer Texte oder mit einem Künstler in der Tradition von Bosch oder Breughel oder einem Mitglied der Rockszene oder mit einem traditionellen Schriftsteller u. ä. Prigov arbeitet nicht mit Gemälden, nicht mit Stilen, nicht mit Polystilistik, sondern mit Images, mit Imaginationstypen von Künstlern und Dichtern…

Prigov zählt zur Generation jener Künstler, die zu einer Zeit in die Arena der sowjetischen Kunst traten, als nach dem Tauwetter von 1956 die sowjetische bildende Kunst im Schnellverfahren (innerhalb von zehn Jahren) den Entwicklungsgang der internationalen Kultur von Anfang des Jahrhunderts bis zum heutigen Tag durchmachte. Und genau Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre hatte sich die nichtoffizielle Kunst mit Lebens- und Verhaltensregeln in der Kultursphäre endgültig konstituiert. Gerade sie, die nichtoffizielle Kunst war zum ersten Mal seit langen Jahren auf der Höhe der Zeit, der kulturellen Mentalität und Stilistik der internationalen Kunst. Diese Zeit fiel zusammen mit der Entstehungsperiode konzeptueller Ideen. Zwei grundlegende Tendenzen bestimmten die neue Generation von Künstlern: die Auffassung sämtlicher Stile und Richtungen in der Kultursphäre als Sprachen und Beschreibungen, und die Hinwendung zur herrschenden sowjetischen Sprache in all ihren Richtungen als Material für hohe Kunst…

Viele Arbeiten Prigovs haben mit der Verwendung von blankem Textmaterial zu tun - Zeitungen, Druckerzeugnisse, eigene maschinengeschrieben Texte. Diese Arbeiten stehen gleichsam auf der Grenze zwischen Literatur und bildender Kunst. Manchmal nehmen sie die Gestalt von räumlichen oder manipulativen Textobjekten an (die Serien Dosen, Fenster, Telegramme), bei denen der metaphorische Raum der Sprache die Realität eines räumlichen Gegenstandes erlangt.

In der Serie Zeitungen lassen sich die mit Hilfe eines feinen Zeichenstrichs geschriebenen Wörter – es sind schlicht Wörter, die auf den Hintergrund eines regulären Zeitungstextes gezeichnet sind, als lebendige, von vitaler Kraft erfüllte Worte ansehen, die aus dem Innern eines konventionellen Textes an die Oberfläche treiben, wie „Mene tekel upharsin“ an der Wand des babylonischen Palastes…

Ungeachtet all dessen kommt es niemals vor, dass Prigov vollständig in die von ihm verwendeten Stile und Bildformen, Sprachen und Images „hineinrutscht“, in ihnen verschwindet, sondern er schwebt gleichsam über ihnen, er flimmert; als Autor vollständig und genau bestimmbar ist er nur auf der Meta-Ebene, von der aus er gleichsam Raubzüge veranstaltet in allen obengenannten Sphären.

Prigovs Dosen (ab ca. 1975) stehen am Beginn seiner grenzüberschreitenden Experimente zwischen Literatur und bildender Kunst. In den Dosen verbindet Prigov texte mit einem speziellen Objekt. Schreibmaschinegeschriebene Textfragmente auf vergilbtem Papier, leere Worthülsen finden ihre objekthafte Entsprechung in gebrauchten Konservendosen, die meist leer oder mit zerknüllten Papierresten gefüllt sind… Inhaltlich Objekte des sowjetisch-russischen Kontextes transportieren Prigovs Dosen kunstgeschichtliche Anspielungen auf die Entwicklung der Lyrik von Mallarmé bis zur Visuellen Poesie ebenso wie auf Jasper Jahns Bemalte Bronzen (Bierdosen) und Andy Warhols Suppendosen.

 

Claus Bach

The General Number of D. A. Prigov, 2001-2007

 

Dieses Projekt kann und soll Teil eines größeren, aus mehreren Teilen bestehenden Projektes werden, bei dem es sich um das Ausrechnen der Wahren Generalzahl (General Number) der unterschiedlichen Bereiche menschlicher Tätigkeit, Naturerscheinungen und metaphysischen Strukturen handelt, sowie um das bestimmen von Indices und deren mannigfaltigen Bestandteilen. Gemeinsam sollen sie ein globales Projekt des Festlegens einer Generalzahl des Universums ergeben. Denn jedem Ereignis, jeder Erscheinung (als eine Einheit, als Artefakt gesehen), die über eine ontologische Begründung in der Ereignissphäre verfügt, entspricht eine eigene Zahl, sowie deren Bestandteilen (Teilnehmern und Protagonisten) ihre eigenen Indices entsprechen.

Als ideologische und theoretische Grundlage des Großen Projekts, aber auch der kleineren Projekte, dient die uralte Vorstellung, dass man den Buchstaben bzw. ihren Zahlenäquivalenten magische, sakrale Deutungen zuordnen kann, gar soll. Diese Tradition lässt sich durch viele Jahrhunderte, von den archaischen Kulturen bis zu den neuesten esoterischen und quasiwissenschaftlichen Praktiken verfolgen.

Heutzutage ist ein Mensch in so viele Stratifikations- und Klassifikationssysteme eingebunden, dass dieses Experiment kaum jemandem als etwas Originelles vorkommen wird. Dazu kommt, dass die Stratifikationssysteme oft nur um ihrer selbst willen entstehen.

Sogar im Falle einer, aus welchen Gründen auch immer, grundsätzlichen Ablehnung des Ergebnisses macht das Projekt trotz allem die Bedeutung und das Wesen der Artikulation, eines bemerkenswerten, beinahe kultischen Typus des szientistischen Bewusstseins deutlich, indem es sowohl ihren Funktionsmechanismus als auch ihren Grad an Glaubwürdigkeit und die Möglichkeiten der praktischen Anwendung veranschaulicht.

Markus & Rochus Aust und Jürgen Stollhans

 

DMITRI PRIGOV. RE-ENSOUNDMENT, 2021/22

Die Zusammenarbeit der Gebrüder Markus und Rochus Aust mit Dmitri Prigov setzte sich 1995 im Ludwig Museum Budapest und 1996 im Musée d'Art Moderne de Saint-Etienne, später im Städt. Museum Mülheim/Ruhr fort. Dabei konzentrierten sich die Kooperationen auf die Alphabete Prigovs in kompositorischer Umsetzung als Live-Hörspiele von Markus Aust (mit Stefan

Bitterle und Rochus Aust) und Dmitri Prigov in der Rolle des Dmitri Prigov.

Aus dieser Zeit stammen zahlreiche Interviews, Recordings/Mitschnitte, Klang/Text/Fragmente, die nun in ein RE-ENSOUNDMENT überführt werden. Darin übernimmt Markus Aust (Klangregie) die Verarbeitung des klingenden Worts, Rochus Aust (Trompete) die Elemente Macht und Zerstörung und Jürgen Stollhans die Rolle des manisch zeichnenden Prigovs, dessen Zeichen-Utensilien und -Tisch als klangverstärkte und verfremdete Elemente live eingebunden werden.

Ein Re-Ensoundment des echten Prigovs, der in Saint-Etienne selbst noch im Restaurant auf die weiß-rot-karierten Platzdeckchen zeichnete, anstatt zu speisen.

Analogon für digital I

10. Juli - 28. September 2020

 

Teil I: Zheng Mahler - Master Algorithmus

 

 

Teil II: Andreas Niegl - Bifurcations and the Path to Chaos

 

Teil III: Mirja Busch - Delirium

 

Teil IV: Rémy Jacquier - Playlist

 

Teil V: Simon Schubert - In-Between

 

Kaum ein Künstler arbeitet heutzutage ausschließlich mit einem Medium, im Rahmen einer Gattung. Die heutige Zeit steht im Zeichen des Übergangs, der Übertretung der Grenzen, der Transformation von künstlerischen Techniken und Formen. Bildende Kunst  wird zur darstellenden, Musik zur Architektur, die programmierte Ästhetik des Videospiels erobert den realen Raum.

Dies gilt auch für die Künstler, deren Arbeiten die Krings-Ernst Galerie im Rahmen der Ausstellung  ANALOGON FÜR DIGITAL I  zeigt. Sie alle beschäftigen sich mit  alternativen Technologien in der Herstellung und Wahrnehmung der Kunst.  Der Schwerpunkt liegt dabei auf neuen Verknüpfungen, die durch Spannungen zwischen Inhalten und Formen abseits der gewohnten Kunstpraktiken entstehen. 

 

Almost no artist works exclusively with a single medium, within a single art form these days. Our world revolves entirely around shift, the crossing of boundaries, the transition of artistic techniques and forms. Visual arts turn into performing, music into architecture, the programmed aesthetic of the video game conquers real space.

This also applies to the artists whose works are displayed by the Krings-Ernst Gallery in the ANALOGON FOR DIGITAL  I exhibition. All of them engage in alternative techniques for the creation and perception of art. The focus here is laid on new connections which arise due to tensions between contents and forms beside the usual practice of art.

 

Zheng Mahler I Master Algorithmus

 

Die holographische Soundinstallation Master Algorithmus  des  Künstlerkollektivs ZHENG MAHLER ist eine virtuelle Nachrichtensendung aus einer unbestimmten Zukunft. Der Künstler Royce Ng und die Anthropologin Daisy Bisenieks, die das Künstlerkollektiv bilden, leihen sich die Figur eines digitalen Nachrichtensprechers Qiu Hao (einer KI) aus, die die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua im November 2018 der Weltöffentlichkeit präsentiert hat. Die von Xinhua präsentierte Figur trug einen klassischen grauen Anzug, saß vor dem für alle Nachrichtensendungen üblichen Hintergrund und las die aktuellen Tagesnachrichten vor. ZHENG MAHLER stattet seinen Sprecher mit einer futuristischen Rüstung  aus und lässt ihn im bunten, kosmisch anmutenden Nebel schweben. Die vorgetragenen Nachrichten bzw. der Text hören sich wie die Chronik einer Dystopie an. In dieser entwerfen die Künstler das Bild einer durch digitale Technologien, digitale Wirtschaft, digitale Ideologien und digitale Ethik beherrschten Zukunft. Der Titel der Installation bezieht sich auf das gleichnamige Buch von Pedro Domingos, seines Zeichens Forscher auf dem Gebiet des maschinellen Lernens.

 

The holographic sound installation Master Algorithm by the artist collective ZHENG MAHLER is a virtual news program from an undefined future. The artist Royce Ng and the anthropologist Daisy Bisenieks, who make up the artist collective, borrow the figure of the digital news anchor Qiu Hao (an AI), that was presented by the Chinese news agency Xinhua to the global public in November, 2018. The figure presented by Xinhua was wearing a classic grey suit, sitting in front of a background typical for all news programs, and reading out the daily news. ZHENG MAHLER equips its anchor with futuristic armour and has it hovering in colourful, seemingly cosmic mist. The reported news or rather the text sound like the timeline of a dystopia with the help of which the artists paint a picture of a future controlled by digital technologies, digital economy, digital ideologies, and digital ethics. The installation’s title refers to the homonymous book by Pedro Domingos, a scholar in the field of machine learning.

Andreas Niegl I Bifurcations and the Path to Chaos

 

Die interaktive Installation von Andreas Niegl  Bifurcation and the Paths to Chaos zeichnet dagegen in einer eher nüchternen und sachlichen Art Zukunftsszenarien zwischen Utopie und Dystopie. Der Künstler, der sich hauptsächlich mit Video, Performance und Sound beschäftigt, bietet dem Betrachter keine einheitliche Vision der Zukunft an. Dem „Spieler“ werden lediglich einzelne Module bzw. Begriffe aus den Bereichen Technologie, Wirtschaft, Politik, Gesellschaft vorgeschlagen, die dieser auf dem digitalen Spielbrett zusammenzusetzen hat. Die dabei entstehenden Ordnungen demonstrieren, wie spekulativ und widersprüchlich unsere Zukunftsvorstellungen sind. Der Titel der Installation bezieht sich auf die Chaostheorie, die sich - ganz allgemein formuliert - mit den nichtvorhersagbaren Entwicklungen von dynamischen Systemen beschäftigt, deren Ausgangselemente fest definiert sind.

 

The interactive installation Bifurcation and the Paths to Chaos by Andreas Niegl, on the other hand, presents futuristic visions in between utopia and dystopia in a rather sober and objective manner. The artist, who mainly works with video, performance, and sound, does not offer the viewer a uniform vision of the future, the creative counterpart of the artist (the player) is simply presented with individual modules and terms from modern technology, economy, politics, and society, and has to put those together on some kind of game board. The emerging orders demonstrate, how speculative and conflicting our visions of the future are. The title of the installation refers to the chaos theory that deals with – broadly speaking – the unpredictable developments of dynamic systems whose starting elements are clearly defined.

Mirja Busch I Delirium

 

Um eine ganz andere Art der Wahrnehmung geht es bei der Installation Delirium von Mirja Busch. Die Künstlerin bedient sich einer alten und traditionsreichen Technologie nämlich des Brennens vom Hochprozentigem, nur ihr Ausgangsstoff ist überraschend - Delirium ist eine Sammlung von Buchdestillaten. Mirja Busch lädt den Besucher in eine Bar, in der philosophische und kunsttheoretische Werke in flüssiger Form die Regale füllen. Jedes Buch wurde von der Künstlerin ins Wasser und Alkohol eingelegt und in einer Destillieranlage gebrannt. Der Inhalt wurde extrahiert und der Rest in das ursprünglichen Format gepresst. Auf diese Weise erhalten die geistigen Erzeugnisse eine alternative materielle Form. Mirja Busch verleiht dem abstrakten theoretischen Wissen eine ungewöhnliche physische Gestalt und bietet eine andere Art der Auseinandersetzung mit ihm an – sich von seiner Essenz berauschen zu lassen. Das Trockene soll auf eine sinnliche Weise verinnerlicht werden und zu neuen körperlichen Erfahrungen führen. Trinken statt Lesen, Genuss statt Arbeit, wärmende Flüssigkeit statt Fußnote - eine verlockende Art der Aneignung des wissenschaftlichen Kanons nicht nur für Studenten der Kunstgeschichte.

 

The installation Delirium by Mirja Busch deals with a completely different way of perception. The artist makes use of an old and long-standing technology, the distilling of spirits, only her starting substance is unconventional – Delirium is a collection of distillates of books. Mirja Busch invites the visitor to a bar, in which philosophical and art theoretical writings are filling the shelves. Every book was put in water and alcohol by the artist and distilled in a distillery.  The contents were extracted and the rest was pressed into its original format. With this method, intellectual products receive an alternative materialized form. Mirja Busch provides abstract theoretical knowledge with an unusual incarnation and offers a different kind of examination – to be inebriated by its essence: The dry is to be sensually internalized and to lead to new physical experiences. Drinking instead of reading, pleasure instead of work, a warming liquid instead of a footnote – a tempting way of acquiring the scientific canon not only for art history students.

Rémy Jacquier  I Playlist

 

Die Ausgangselemente der Arbeiten des französischen Künstlers Rémy Jacquier gehören verschiedenen Kunstgattungen an. Seine architektonischen Modelle übersetzen u.a. Musik von Charlie Parker, Texte von Denis Diderot, Choreografie von Raoul Auger Feuillet ins Visuelle. Ähnlich wie Mirja Busch, die kunsttheoretische Pflichtlektüre ins Destillierte verwandelt, überträgt Jacquier Jazzvariationen, Fußwechsel und philosophische Sentenzen in die komplexen Strukturen seiner Pavillons. Das Nicht-Greifbare bekommt ein haptisches Pendant in Form von Trägern, Öffnungen, Schrägen, Treppen. Diese Übertragung macht den Prozess der Wahrnehmung, Verarbeitung, Verinnerlichung durch den Künstler Rémy Jacquier sichtbar und lädt den Betrachter dazu ein, das immaterielle Produkt des Geistes optisch zu erschließen.

Mit dem kubistischen Erbe seines Künstlerkollegen Picasso geht Rémy Jacquier noch weiter. Er baut Picassos Gitarren nach und macht sie bespielbar. Damit lässt Jacquier nicht nur Kunstwerke, die zum Kanon der bildenden Kunst gehören, klingen, sondern wirft auch Fragen auf. Wie funktioniert eigentlich eine künstlerische Vision? Ist sie lebensfähig? In welcher Form brauchen wir sie? Wie und über welche Art von Erfahrungen findet man den Zugang zur Kunst? Oder auch – was bzw. wie viel Gemeinsames haben bildende Kunst und Musik?

Auch der Anblick von Jacquiers  graphischen Arbeiten lässt  an eine musikalische Komposition denken. Seine Serien Phosphene und Tagebuch aus dem Atelier weisen einen deutlichen rhythmischen Aufbau auf.  Dabei muten die Phosphene, entstanden durch das Aufprallen von Tennisbällen auf das Pigmentgemisch, eher  wie ein minimalistisches zeitgenössisches Musikstück  an, und das Tagebuch – mit seinen Trichtern, Kavernen, Falten, vielen feinen Strichen, ganz hellen Stellen und dunklen Flecken – wie eine Probe eines vielstimmigen Symphonieorchesters.

 

The starting elements of French artist Rémy Jacquier belong to different art genres. His architectural models translate, among others, music by Charlie Parker, texts by Denis Diderot, choreographies by Raoul Auger Feuillet into visuals. Similar to Mirja Busch, who transforms art theoretical compulsory reading into the distilled, Jacquier transfers jazz variations, change of foot, and philosophical aphorisms to his pavilions’ complex structures. The intangible receives a haptic counterpart expressed in beams, openings, slopes, stairways. This translation visualizes Rémy Jacquier’s process of perceiving, digesting, and internalizing and invites the viewer to optically access the mind’s immaterial product.

Rémy Jacquier goes even further with the cubistic heritage of his fellow artist Picasso. He recreates Picasso’s guitars and makes them playable. With this Jacquier not only lets works of art that belong to the canon of visual arts sound, which alone is a bold venture, but also gives rise to several questions: How does an artistic vision work, actually? Is it viable? In what form do we need it? How, by what kind of experience can we find access to art? Or – what or rather how much do visual arts and music have in common?

The looks of Jacquier’s graphic work also make you think of a musical composition. His series Phosphene and Diary from the workshop feature a clearly rhythmic structure. Withal, the Phosphene series, created by the bouncing of tennis balls on pigments, appears rather like a minimalist contemporary piece of music, and the Diary – with its funnels, caverns, creases, countless fine lines, light spots and dark stains – like a polyphonic orchestra’s rehearsal.

Simon Schubert I In-Between

 

Im Werk von Simon Schubert geht es ebenfalls um die gegenseitigen Abhängigkeiten von Inhalt, Form und Technik. Die Arbeiten des Künstlers befassen sich mit verschiedenen physischen, künstlerischen, metaphorischen Aspekten des Lichts, seiner Präsenz und  seiner Abwesenheit. In seiner Graphitserie wird es verschlungen, in den Papierfaltungen gebrochen, die Raumspiegel bringen seine mystische Seite ins Spiel.

Die  Papierfaltungen von Simon Schubert sind beinahe unsichtbar, ihre visuelle Existenz hängt im hohen Maße von einer externen Lichtquelle ab. Man könnte meinen, das Dargestellte zeigt sich nur dann, wenn man es sehen will. Technisch gesehen sind es Reliefs, nur der Träger – weder Stein noch Bronze sondern Papier – ist  äußerst fragil. Genauso fragil wie die Grenze zwischen dem Sichtbaren und dem, was sich dem Auge entzieht, zwischen dem tatsächlich Existierenden und dem Jenseitigen. Man sieht verschiedene Innenräume: Zimmer, Flure, Treppen, die sich durch die Holzvertäfelung, Parkettböden, profilierte Türzargen, Handläufe, Fensterkreuze zeitlich irgendwo in der 2. Hälfte des 19. Jh. bzw. um die Jahrhundertwende  einordnen lassen.  Die Räume sind bis auf wenige Gegenstände leer. Das, was noch da ist - Bücherregale ohne Bücher, Bilderrahmen ohne Bilder, das verstummte Klavier -  suggeriert einen Eindruck des Verlassen-Seins,  des physischen Nicht-Mehr-Daseins der früheren Bewohner. Mit wenigen Mitteln gelingt es dem Künstler eine Spannung entstehen zu lassen zwischen dem, was man sieht und dem, was der eigene kulturelle Background (abhängig von individueller Suspense-Erfahrung) als alternatives Szenario anbietet. Überhaupt weist das Werk von Simon Schubert  deutliche cineastische Eigenschaften auf: das Fortsetzen der „Handlung“ über mehrere Bilder gleicht den Filmsequenzen, die schwarz-weiße Ästhetik lässt an die Stummfilmzeiten und das Setting an die Großen der Kinogeschichte denken - an Hitchcocks Vertigo, Polanskis  Rosemarys Baby, Kubricks Shining

Und dass die Finsternis nicht ohne Licht existieren kann, genauso wie das Licht nicht ohne Schatten, zeigt der Künstler in seinen Graphitarbeiten. Das fotorealistische Feuer, entstanden durch das Aussparen von hellen Flächen, kämpft bei Schubert gegen die dunkle Materie der Graphit-Schwärze.

Furchterregend, unheilschwanger  und bedrohlich wirken dabei  beide Seiten. Der Graphit ist der Hauptbestandteil von Zeichenkohle und Bleistift, die seit jeher zur Grundausstattung eines Künstlers gehören. Gleichzeitig ist er (als Erscheinungsform des Kohlenstoffs)  eines der am häufigsten vertretenen Elemente in der chemischen Zusammensetzung des menschlichen Körpers, auch des Körpers eines Künstlers. So verweist Simon Schubert, ein Künstler mit Hang zur Chemie, mit seinem Objekt Selbstporträt auf eine quasi organische Verbindung zwischen dem Graphiker und seinem Werk.

Das (künstlerische) Wiedergeben wird in der Serie Raumspiegel thematisiert, die sich in unmittelbarer Nähe zum Selbstporträt befinden. Sowohl das Realistische als auch das Wiederspiegeln stellt der Künstler in Frage, ohne dabei die Existenz des „Hinter-den-Spiegeln“ anzuzweifeln. Das Irreale und das Surreale als feste Ingredienzien der Wirklichkeit.

 

Simon Schubert’s work addresses the interdependence of content, form, and technique of the presentation. The artist’s works attend to various physical, artistic, and metaphorical aspects of light, its presence and absence: in his series with graphite it is engulfed, in the paper folds refracted, the Room Mirrors call into play its mystic side.

The paper folds are almost invisible, their visual existence is heavily dependent on an external light source. One could think, what is shown can only be seen when one wants to see it. Technically they are reliefs, only the material – the paper – is exceptionally fragile. Just as fragile as the line between what can be seen and what is hidden, between what actually exists and the beyond. One can see different interior spaces: rooms, hallways, staircases, that can be dated to the second half of the 19th century or the turn of the century because of their wood panelling, hardwood floors, profiled door frames, handrails, and mullions and transoms of windows. The rooms are empty with the exception of a couple of objects. What has remained – bookshelves without any books, picture frames without any pictures, a silent piano – suggest the impression of abandonment, the physical absence of the previous residents. With only few elements the artist succeeds with creating tension between what you can see and what your own cultural background (depending on one's individual suspense-experience) provides as an alternative scenario. In general, Simon Schubert’s work demonstrates clear cinematic qualities: The continuation of the “plot” across several pictures resembles film sequences, the black and white aesthetic makes you think back to the silent film era, the setting to the greatest pieces of cinematic history - Hitchcock’s Vertigo, Polanski’s Rosemary’s Baby, Kubrick’s The Shining. With the help of his graphite works the artist proves that darkness cannot exist without light, just as light cannot exist without shadow. In Schubert’s works the photo-realistic fire, made by leaving blank areas, is fighting the dark matter of graphite black.    

Here, both sides appear terrifying, ominous, and menacing. Graphite is the main component of charcoal and pencil, both of which have always belonged to an artist’s basic equipment. At the same time, it is (in form of carbon) one of the most abundant elements in the chemical composition of a human body, thus, an artist’s body as well. Hereby, with his object Self-portrait Simon Schubert, an artist with a penchant to chemistry, alludes to the so to say organic connection between an artist and his work.

The (artistic) rendering is thematized in his series Room Mirror, which is located immediately next to the Self-portrait. The artist questions the realistic as well as the reflecting, without doubting the existence of the "through-the-looking-glass". The irreal and surreal as fixed ingredients of reality.

 

 

 

 

 

 

VERGANGENE AUSSTELLUNGEN I PAST EXHIBITIONS

2016 - 2019

 

 

 

 

Wolfgang Kliege

16.03 - 04.05.2019

 

Auf Anfang

 

"Aleppo" und die „Sozialen Landschaften“, die von Kriegsflüchtlingen durchzogen werden, die Bewunderung und Anerkennung der Kultur des Orients, der Respekt vor fremden Religionen; das sind einige der Themen, von denen Wolfgang Klieges Arbeiten aus den letzten fünf Jahren handeln.

 

Neben einer surreal anmutenden "Amphibie für Aleppo", einem Objekt, das sich auf den verheerenden Syrienkrieg bezieht, stellt Wolfgang Kliege hier zum ersten Mal seine große, den gesamten Eingangsraum füllende Installation "Orient" aus. Zu sehen ist das Modell einer orientalischen Stadt, üppig, zerklüftet, wie auf Stelzen gebaut, eine sich in die Höhe aufrichtende, selbstbewusste, prächtig wogende Ansammlung von Kuppeln, Türmen und Minaretten, ein San Miniato des Vorderen Ostens.

In den hinteren Räumen der Galerie findet man Skulpturen und einige Bildobjekte, wie diejenigen, die Kliege in den 1960er und 70er Jahren, seinen "Anfängen", schon einmal als "Soziale Landschaften" bezeichnet hat. Heute  beziehen sie sich auf die Wege und Spuren der Migration und der globalen Veränderungen.

 

Zur Ausstellung erscheint das sechste Buch des Künstlers unter dem Titel "Auf Anfang, 2019". Mit Berichten über die Anfänge und Hintergründe seiner künstlerischen Laufbahn und seines Denkens: über Menschen, Erfahrungen, Mythen und auch sonst alles, "was sich um die Kunst bewegt", wie eines der Kapitel heißt.

 

 

 

 

Jürgen Stollhans

 

Analogon für digital

10.11.2018 – 02.02.2019

 

 

Als erstes fragt man sich, was könnte eigentlich ´Analogon für digital´ bedeuten?

Der Ausstellungstitel  steht sinnbildlich für die Unsicherheiten, die mit der Entwicklung und Verbreitung der digitalen Techniken (Computer, Roboter, …) in Zusammenhang stehen. Sie zeigen sich etwa in der Verwirrung, wie  „analog“ und “digital“ als diametral entgegengesetzte Begrifflichkeiten und oft falsch verwendet werden. Die Bedeutung der Begriffe  hat sich längst verschoben und mit ihnen gehen Konnotationen wie modern, numerisch, manipulierbar usw. bzw. rückständig, handwerklich, wahrhaftig usw. einher.

Ein Analogon kann seinem digitalen Gegenpart ähneln und doch eines anderen Ursprungs sein.  In der Tat gibt es zu einigen Videos in der Ausstellung analoge Pendants, während einige Bilder einen digitalen Hintergrund vermuten lassen. Stellt man sie einander gegenüber, tauchen viele Fragen auf: Was war zuerst? Wieso gibt es mehrere davon? Inwiefern entsprechen sie sich wirklich? Ist die erzielte Wirkung die gleiche?

Und somit wäre der Einstieg in Stollhans‘ Werk gemacht, denn das Hinterfragen von visuellen Botschaften ist ein wichtiger Teil seiner künstlerischen Strategie.  

Stollhans‘ Arbeiten – digitale wie nicht-digitale – präsentieren dem Betrachter figurative Darstellungen von diversen Objekten. Diese werden vom Künstler mit Text, mathematischen  Formeln oder gar Bild-/Zitaten aus wissenschaftlichen Traktaten kombiniert. Durch dieses Zusammensetzen entstehen seltsame Verzerrungen des vermeintlich Verständlichen, die wiederum viele Fragen aufwerfen (z. B. was bedeutet ein überdimensioniertes Pflaster mit der Formel für den tendenziellen Fall der Profitrate? Oder wer muss sich eigentlich in dem Wald orientieren?), auf die die Werke keine eindeutigen Antworten liefern.  Werke von Jürgen Stollhans verweigern sich der Eindeutigkeit. Sie laden den Betrachter lediglich ein, den losen Enden zu folgen, die der Künstler mit seiner Vorliebe für verzweigte Verbindungen für ihn gelegt hat. Der Betrachter wird dazu gebracht, gewohnte Denkmuster zu verlassen und neuen Analogien zu folgen.

 

Hommage an David Goldblatt

Wittenoom. Western Australia

08. September  - 06. Oktober 2018

 

ÖFFNUNGSZEITEN WÄHREND DC OPEN

8 Sept. 2018     12 - 18 UHR

9 Sept. 2018     12 - 16 UHR

 

PHOTOSZENE

28 Sept. 2018      11 - 22 UHR

29 Sept. 2018      11 - 19 UHR

30 Sept. 2018      11 - 19 UHR

 

 

 

Vor ziemlich genau sechzehn Jahren zeigte die Krings-Ernst Galerie die Arbeiten des südafrikanischen Fotografen David Goldblatt. Es war die Serie „Wittenoom, Western Australia“, sein erster großer Zyklus in Farbe, erster, der sich nicht mit seiner Heimat Südafrika befasste.

 

David Golblatt, einer der bedeutendsten und einflussreichsten Fotografen Südafrikas, starb am 25. Juni dieses Jahres im Alter von 87 Jahren. Als eine Hommage an den Künstler und ein Zeichen der größten Wertschätzung zeigt die Krings-Ernst Galerie eine Wiederaufnahme der Ausstellung von 2002.

 

David Goldblatt wurde 1930 in Randfontein, Südafrika geboren. 1962 verkaufte er das Herrenmodegeschäft seiner Eltern und wurde Berufsfotograf. Das Geld verdiente er mit Auftragsarbeiten für diverse Zeitschriften. Sein personal work widmete er der südafrikanischen Gesellschaft. Bis in die 1990er Jahre waren es ausschließlich schwarz-weiße Aufnahmen. Lange hielt David Goldblatt die technischen Möglichkeiten und die ästhetischen Ausdrucksmittel der Farbfotografie für nicht reif genung, um etnische, politische, soziale, kulturelle Verhältnisse in seiner Heimat und außerhalb ihrer Grenzen adäquat wiedergeben zu können. Erst die radikalen politischen und technischen Umwandlungen der 90er brachten den Fotografen zur Farbe.

 

Ob schwarz-weiß oder farbig, die zerbrechliche Balance von Hell und Dunkel, Ausgeleuchtet und Verborgen stand immer im Mittelpunkt von David Goldblatts Werk. Es wurde ihm vorgeworfen, seine Arbeiten würden sich dem direkten politischen Kampf verweigern. Goldblatt bestand auf dem Primat der ästhetischen Komponente in seinem Werk, er war kein Frontberichterstatter. Und dennoch war seine Herangehensweise stets solide recherchiert und differenziert. Oft schrieb er erklärende Texte zu den Bilder. Es war ihm wichtig, dem Zuschauer das Hintergrundwissen, den konkreten Kontext zu vermitteln, nicht zu pauschalisieren. Und das Künstlerische war notwendig, um der Komplexität des Dargestellten gerecht zu werden. Außerdem erlaubte es ihm, eigene ethischen Prinzipien zu bewahren, die Freiheit zu behalten, sich von keiner politischen Partei für deren Zwecke vereinnahmen zu lassen.

 

1989 gründete  David Goldblatt in Johannesburg den Market Photography Workshop – eine offene Photoschule für junge Menschen ohne Rücksicht auf ihre Herkunft. In dem gemeinsamen Erwerben von fotografischen Grundkenntnissen sah er eine Möglichkeit, die kommende Generation seiner Mitbürger von jeglichen Schranken der Apartheid zu befreien.

 

Wittenoom and the Duty of care betitelte David Goldblatt den Text zu seiner australischen Serie aus dem Jahr 1999. Die Farbaufnahmen zeigen den Asbestminen-Ort Wittenoom, eine von der Industrie gebeutete Stadt. Die Minen wurden 1966 stillgelegt, die Einwohner sind, wenn nicht an Asbestose gestorben, weggezogen. Auf allem liegt der krebserregende Asbeststaub. Seine Rückstände wurden nicht entfernt, seine Wirkung auf Mensch und Natur nicht erforscht. Die einzige staatliche Maßnahme ist, den Zugang zu dem versuchten Gebiet zu verbieten. Eine  vernachlässigte ökologische Katastrophe.

 

Die Aufnahmen von Goldblatt sind zurückhaltend. Sie zeigen nichts Spektakuläres.  Und dennoch entsteht durch die Wahl der dargestellten Objekte, durch die  „unaufgeregte“ Perspektive, durch das grelle Licht, durch die Schärfe eine besondere ästhetische Eindringlichkeit der Bilder. Die Titel der Fotografien bleiben sachlich. Sie und die nüchternen, emotionsfreien Eklärungen erschaffen den Link zwischen dem Künstlerischen und Dokumentarischen.

 

David Goldblatt fühlt sich als Fotograf in der Verantwortung, zu zeigen, und entlässt seinen Zuschauer nicht aus der Verantwortung, zu sehen.

 

The Duty of care beschreibt ziemlich genau das  Lebenscredo des Künstlers David Goldblatt.

ENGELBERT KREMSER

RAUMBILDER

15.04. -23.07. 2016

 

Neue Dimensionen der Architekturfreiheit

Von der Natur über das Raumbild zum Bauwerk

In der Phantasie können fern der Realität phantastische Gebilde entstehen, die Hoffnungen auf ein schöneres Leben einschließen, ohne sich mit der Machbarkeit auseinander zu setzen. In ihr ist alles machbar, auch das Unmöglichste. In ihr entstehen Wünsche. Sie ist ein Spiel mit neuen Inhalten und hilft, die Wirklichkeit erträglicher zu machen. Die absolute Gestaltungsfreiheit ist zuerst nur in der Phantasie möglich. Soll sie jemandem mitgeteilt werden, bedarf es außer Worten anderer Beschreibungen, wie der Skizze oder des Bildes.

Im Stadium zwischen der Idee und ihrer Fixierung ist die Architektur frei von Einschränkungen jeder Art: den Kosten, Materialien, Bauherren, Baubestimmungen usw. Es ist das kreativste Stadium des Suchens nach der bestmöglichen Wiedergabe der Idee, die Optimierung der Form und Struktur. Es ist der kürzeste und dennoch kostbarste Augenblick im langwierigen Entstehungsprozess eines Gebäudes, in dem die Idee noch unbelastet von allen später hinzukommenden Zwängen der Ausführung ist, bevor am Ende ein nicht wieder erkennbares Wrack vom Ausgangspunkt nichts mehr in sich hat. Die Architektur des Augenblicks im Zeitpunkt der Entstehung der Idee bis zur ihrer Darstellung kann voll der leidenschaftlichen Begeisterung des Formfindens sein, ohne die keine Lebendigkeit möglich ist. Diese Leidenschaft ist umso kräftiger spürbar, je spontaner sie in Bildern übertragen ist.

Im Zeitraum der Erkundung und Ausprägung des Zwischenraumes zwischen der Faszination des Gedankens und der kraft seiner Ausführung hat die Architektur eine Chance Kunst zu sein. Jede ausgeführte Architektur ist durch die erwähnten Einschränkungen und Zwänge nur ein kläglicher Restbestand ihrer ursprünglichen Version. Nur im Stadium zwischen Idee und Zeichnung ist die Architektur absolut frei und den anderen Künsten ebenbürtig. Nur hier kann sie sich mit der Malerei, Bildhauerei oder Fotografie als freie Kunst messen. Nur hier wird sie als Konkurrenz geachtet. Nur hier ist sie ein freies Kunstwerk. Hier lebe ich auf.

Engelbert Kremser

 

 

 

ARISTIDE ANTONAS

ESCAPE MANUALS

21.11.2015 -20.02. 2016

 

Aristide Antonas ist ein ungewöhnlicher Architekt und ein ungewöhnlicher Philosoph. Er interessiert sich mehr für architektonische Inhalte als für architektonische Formen und verleiht seinen philosophischen Erkenntnissen konkrete Umrisse aus konkreten Materialien.

Aristide Antonas  wurde 1963 in Athen in einer Architekten-Familie geboren. Seine Eltern, Suzana und Dimitris Antonakakis, gehören zu den wichtigsten Vertretern des „Kritischen Regionalismus“, einer Bewegung in der Architektur des 20.Jahrhunderts, die ihren Fokus auf regionale Besonderheiten richtete. Durch das Elternhaus geprägt studierte Aristide Antonas Architektur an der Nationalen Technischen Universität in Athen. Als Untermauerung der theoretischen Basis folgte dem Architekturstudium eine Promotion in Philosophie an der Universität Paris-X.

Aristide Antonas lebt und arbeitet in Athen und Berlin. Das Spektrum seiner Tätigkeit ist breit: er entwickelt architektonische Projekte, lehrt Architekturtheorie, schreibt Theaterstücke und Essays.

Die Ausstellung „Escape Manuals“ in der Krings-Ernst Galerie zeigt eine konzentrierte Zusammenfassung seiner Architekturkonzepte, die sich sowohl mit der alternativen Nutzung des öffentlichen, urbanen Raums sowie mit den Überlegungen zu den Behausungen für den Einzelnen, zu den Möglichkeiten des individuellen Entzugs beschäftigen.

Das Projekt „Transformable Vertical Village“ setzt sich mit dem temporären Wohnraum auseinander, der sich schnell erschaffen, einfach umgestalten und problemlos in jeden baulichen bzw. städtebaulichen Kontext einfügen lässt. Als Grundelement seiner Konstruktion benutzt Aristide Antonas Schiffscontainer – einen standardisierten, in eine bestehende Infrastruktur integrierbaren, austauschbaren „Baustein“. Der Architekt spricht ein aktuelles soziales Problem an - den Mangel am schnellverfügbaren Wohnraum, dabei  benötigt seine Lösung keine Förderung von Rohstoffen,  er greift zurück auf die bereits vorhandenen Objekte. Dem ökologischen Faktor kommt in den Projekten von Aristide Antonas eine bedeutende Rolle zu.  

Einer Beschäftigung des Architekten mit den Ideen des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek  verdankt  seine Entstehung „The House of Doing Nothing“. In seinen Arbeiten erörtert Žižek die soziale aber auch politische Bedeutung eines Rückzugs des Individuums aus der Gesellschaft. Antonas liefert einen architektonischen Rahmen zum philosophischen Konstrukt. Er erschafft einen Ort der Kontemplation, eine moderne Zelle. In einer unwirklichen Landschaft angesiedelt, asketisch ausgerichtet verfügt sie erstaunlicherweise über einen Zugang zum Internet. Einkehr mit Internetanschluss? Dieser Widerspruch macht zu einem auf die Freiwilligkeit des Rückzugs aufmerksam, der jederzeit durch die Betätigung weniger Tasten unterbrochen werden kann: Klick – und man ist wieder ein vollwertiger Mitglied einer virtuellen Gemeinschaft. Zu anderem verweist er möglicherweise auf die Unmöglichkeit einer völligen (auch freiwilligen!)Isolation innerhalb moderner digitaler Gesellschaft.

Ein weiterer philosophischer Ansatz mit dem sich Aristide Antonas auseinander setzt ist der von Oswald Spengler, dem Autor vom „Untergang des Abendlandes“.  “The Shelters of Spenger” sind eine Art Ein-Bett Zisternen-Unterschlüpfe, die in ein Gebirgsmassiv eingelassen sind. Es ist eine Kritik an der  Gesellschaft, die keine neuen Werte produziert. Diese Unterkünfte sind hervorragend dazu geeignet, um von ihnen aus, den Untergang welcher Kultur auch immer zu verfolgen. Das a-tätige Betrachten des Kampfes zwischen Natur und Zivilisation als eine Voraussetzung für einen  neuen Anfang.

Die hier angesprochen Thematik  - das Individuum und das kommunale Leben, kontemplative Isolation, urbane und nicht-urbane Existenzformen einer Gemeinschaft – findet ihre Realisierung auch in weiteren Ideen-Komplexen von Aristide Antonas  -  „No Wall House“ und „Vehicles“(„KEG appartment“, “Crane Rooms”, “Bus Hotel”). Und auch diese Konzepte sind reich an philosophischen und architektonischen Ambivalenzen.

Architektur unterscheidet sich von anderen Bereichen der Kunst durch ihrem Bezug zum Realisierbaren, ihren „Pragmatismus“. Aristide Antonas entwirft in seinem Werk Räume, die das Pragmatische der Formen mit den philosophischen der Inhalte verbinden. Er ist ein Architekt und Philosoph.

DAVID KOENIG

BROKEN

11.04. -30.05. 2015

 

„Broken“ ist ein ziemlich cineastischer Titel für eine Ausstellung. Und in der Tat haben die aktuellen Fotoarbeiten von David Koenig etwas von einem Art-House-Film:  eigenwilliger Blickwinkel, ungewöhnliche Farben, geheimnisvolle Zusammenhänge. 

 

Die Fotoserie „Broken“ von David Koenig ist in Miami entstanden. Sie zeigt Fragmente der Architektur, aufgenommen bei Nacht. Das besondere Augenmerk des Fotografen gilt dabei dem Zusammenspiel von künstlicher Beleuchtung und architektonischen Formen beziehungsweise der Atmosphäre, die dabei erzeugt wird.

Die abgelichteten Gebäude lassen sich nicht auf den ersten Blick als solche identifizieren, ihre klaren Linien wirken befremdlich, sie sind durch keine Zeichen der menschlichen Präsenz, überhaupt des Organischen unterbrochen. Das Grelle der „Pop-Farben“ - Pink, Gelb, Lila - der Beleuchtung  wirkt im Kontrast zum tiefen undurchdringlichen Schwarz  des Himmels gleichzeitig unwirklich und dekadent. Das sehr helle, eiskalte Blaue, das an einigen Stellen aufblitzt, durchfährt das Auge wie ein stechender Schmerz.

 

Die Bilder von David Koenig schaffen eine Szenografie, sprich eine Bühne und einen Raum, für das Schauspiel, in dem der Hauptpart den nichterfüllten Träumen, verborgenen Sehnsüchten, vergeblichen Hoffnungen gehört. Das Hauptmittel des Künstlers ist dabei das Licht, was dem Wesen der Fotografie - mit Licht zu zeichnen -  ausgesprochen nahe kommt. Und was die „cineastische“ Seite angeht – ein melancholischer schwüler Soundtrack (wie z.B. in „Broken flowers“ von Jim Jarmusch) wäre für die Fotos von David Koenig eine  optimale musikalische Begleitung.

 

 

FIGURATION LIBRE

GRUPPENAUSSTELLUNG

31.01. - 30.05. 2015

 

Als Titel der aktuellen Ausstellung wurde Figuration libre gewählt. Kunsthistorisch gesehen steht Figuration libre eigentlich für eine in den 1980er Jahren in Frankreich entstandene Richtungder bildenden Kunst. Ihre Künstler (Francois Boisrond, Robert Combas, Hervé Di Rosa) setzten sich für eine neue erzählerische Bildsprache ein. Sie entwarfen eine neue figurative Bildwelt, die aus diversen Elementen der Alltags- und Subkultur kombinierte wurde: Graffiti, Comic, Werbung, etc. Konsequenterweise benutzten diese Künstler auch die künstlerischen Mittel ihrer Bildquellen – grelle Farben und eindeutige Konturen. Das Pathos der Abstrakten und der Konzeptuellen Kunst sollte der ironischen Kultur- und Gesellschaftskritik weichen.

Allerdings bezieht sich der  Titel der Ausstellung Figuration libre nicht nur auf die Arbeiten der französischen Künstler, sondern auch auf die Werke ihrer Kollegen aus China, Deutschland, Kuba und Russland.

China, Kuba, Russland  und  Deutschland haben ein historisch-politisches Erbe, mit dem sich mehrere Generationen auseinandersetzen mussten. So erfordert jede Identitätssuche, jede unkonventionelle Fragestellung in einem Staat, in dem der politische Wille des einzelnen unterdrückt wird, eine gewisse gesellschaftliche Haltung.

 

Charlie

 

Ein großes schwarz-weißes Bild schwebte am Sonntag, dem 11. Januar 2015, vier Tage nach dem Attentat auf die Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“, über der bunten Menschenmenge in Paris – die Augen des Chefredakteur Stéphane Charbonnier. Ihr Ausdruck  war nicht eindeutig zu beschreiben: nachdenklich – vielleicht, ernst –  möglich, ironisch – ja auch, aber eins war dieser Blick ganz gewiss nicht - ängstlich. Einer, der die Anderen zum Lachen bringen will, darf keine Angst haben, sonst wird daraus nichts, höchstens ein Mitleidsgrinsen. 

Die Aufgabe einer  Satirezeitschrift (eigentlich jeder Satire) ist, auf die Missstände, welcher Natur sie auch immer sind politisch, ideologisch, sozial, aufmerksam zu machen, sie zum Gegenstand der öffentlichen Polemik zu erklären. Satire definiert sich durch das Verzerren und Übertreiben, denn sie machen die Entfernung von einem Idealzustand deutlich. Satire funktioniert nur wenn sie präzise arbeitet, deswegen sind ihre bildlichen Mittel einfach – die schwarze Linie und die grelle Farbe. Ihre Wirkung ist selten mehrdeutig. 

 

 

Eine vollwertige künstlerische Geste führt immer zum Nachdenken und Hinterfragen. Diese zwei Prozesse sind schwer zu überwachen und ihre Folgen sind kaum kontrollierbar, aber eins, genauer gesagt einen, bringen sie mit fast 100%tigen Sicherheit hervor – einen Betrachter, dessen Wahrnehmung frei, kritisch, und ideologieresistent ist. Die Kunst wie das Lachen „haben es nicht so“ mit vorgefertigten Wahrheiten!

 

Sabine von Breunig

Headquarter - Штаб-квартира

19.09. -20.12. 2014

 

 

Sabine von Breunig ist – in der Photographie - eine Spätstarterin. Als Meisterschülerin von Arno Fischer hat sie einen besonders intensiven Blick auf die Welt entwickelt.

 

Vor 20 Jahren verließen amerikanische und sowjetische Streitkräfte Berlin. Seit 2010 fotografiert Sabine von Breunig ihre verlassenen Hauptquartiere – Headquarter of The American Forces in der Clayallee in Berlin-Dahlem und Oberkommando der russischen Streitkräfte in Deutschland 40 km südlich von Berlin in Zossen/Wünsdorf. Sie fotografiert die Gebäude und Räume ehemaliger Militärkomplexe so wie sie sie vorfindet – im gräulichen Tageslicht, leer, gezeichnet von der Abwesenheit der Menschen. Diese Bilder sind keine Dokumentation, keine bloße Bestandsaufnahme, ihr Thema ist Vergessen und Vergehen, der Lauf der Geschichte, der Abdruck der Zeit. Sie zeigen das Verschwinden der „Machtarchitektur“ mit ihren Paradetreppen, Empfangssälen und Säulen unter der Schicht aus abblätternder Farbe, abgebrochenem Putz und hängenden Elektrokabeln. Sabine von Breunig konfrontiert den Betrachter mit einer zeitlosen Leere, einem Zeitloch. Welche Gefühle kommen in einem dabei hoch? Ist es Nostalgie? Abscheu? Ohnmacht? Oder lässt die Vergangenheit einen gar gleichgültig vorbeischauen? Mit ihren Bildern bewegt sich die Fotografin im Spannungsfeld zwischen militärischer Macht und Verantwortung. Angesichts der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen kommt der Arbeit von Sabine v. Breunig besondere Bedeutung zu.

Die Ausstellung „Headquarter-Stabsquartier- Штаб-квартира“ in der Krings-Ernst Galerie zeigt Arbeiten aus den Bilderserien „Final Walk“ und „Geisterstadt“ von Sabine von Breunig.

Im November 2012 ist in der Edition Braus das Buch GEISTERSTADT mit den Bildern aus der Sperrzone Zossen/Wünsdorf erschienen, es wurde vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels zum Fotobuchpreis 2014 nominiert.

 

 

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